„Klima: Was kann ich tun?“: Klima-Kompensation: Ist drin was versprochen ist?

Kürzlich wurden erneut brisante Artikel zur schon lange schwärenden Debatte veröffentlicht, was „KlimaZertifikate“ zum Ausgleich von Treibhausgas-Emissionen (THG) wirklich wert seien, insbesondere solche,
die auf tropischen Wäldern basieren. Beispielsweise beim (us-amerikanischen) Weltmarktführer im CO2-
Kompensations-geschäft, V-E-R-R-A, seien >90% der „Regenwald-Zertifikate“ unbrauchbar. Fazit: „Es gibt
sehr viele Zertifikate, hinter denen keine wirklich eingesparte Tonne CO2 steht“ (L. Schneider).
Bei netflix stiegen die CO2-Emissionen 2021 um 50% gegenüber Vorjahr auf rd. 1,5 Mio. Tonnen CO2 – und
behauptet in ihrem Nachhaltigkeitsbericht dennoch, „klimaneutral“ zu sein; weil Netflix (für billiges Geld)
CO2-Zertifikate kauft, 1,5 Mio. „credits“. Wie sieht es denn dann aus, wenn google behauptet „CO2-neutral
seit 2007“ zu sein? Wenn der Ölkonzern Shell Transporte mit CO2-Zertifikaten „kompensiert“? Wenn Audi
sein erstes „CO2-freies“ E-Auto feiert? Wenn Flugreisen von Mitarbeiter:innen der Stadt München bei
atmosfair „kompensiert“ werden – für derzeit ca. 23€ pro t CO2. Das Umweltbundesamt empfiehlt einen
Preis von >180 Euro/t CO2; in der Schweiz „kostet“ eine Tonne CO2 etwa 90 Euro, in Schweden 110 Euro.
Eigentlich soll Treibhausgas-Kompensation zur Finanzierung von THG-mindernden
Investitionen (z.B. Windkraftanlagen im globalen Süden) anregen, immer dann,
wenn alle eigenen CO2-Minderungsmaßnahmen nicht ausreichen und ein kleiner (!)
Rest unvermeidbarer Emissionen verbleibt. Aus diesem Blickwinkel sind freiwillige
Kompensationszahlungen für Privatpersonen oder Firmen eine einfache Möglichkeit,
„tonnenweise“ Treibhausgas-Restemissionen auszugleichen. Wenn sie dadurch
ursächlich, auf Dauer und tatsächlich zu gleichen Teilen aufgewogen werden. Doch daran bestehen erhebliche Zweifel. Alle Kompensationsversprechen, alle Zertifikate oder („Gold“-) Standards haben den gleichen
Mangel: Sie sind nicht allgemein gültig definiert und werden nicht übergeordnet, z.B. (über-) staatlich
überwacht. Auch der Begriff „klimaneutral“ auf Produkten ist nicht gesetzlich geschützt; er signalisiert nur,
dass das Unternehmen für dieses Produkt irgendwelche, nicht definierte „Ausgleichs“-zahlungen tätigt.
Weshalb ein riesiger „mafiöser“ Kompensations-Markt entstanden ist, wie Kritiker konstatieren: Der
Weltmarktpreis liegt aktuell bei 3-5€/t „kompensierter“ CO2-Emission.
Vielfach war CO2-Kompensation (auch) eine „Beruhigungs-Pille für’s schlechte Gewissen“, wenn per Mausklick der (vermeidbare) Kurzflug München_Mallorca (knapp ½ t CO2) mit 11€ „ausgeglichen“ wird. Doch seit
in Kooperation mit:
und
Carbon
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:
-offsetting.svgdas „Zunkunft+
Zertiikat“
Offenlegung der vielfach faktischen Unwirksamkeit solcherart „Ablaßhandels“ ist Vertrau-
en zerstört. Hier wollen wir ansetzen:
Im ersten Vortrag soll dargelegt werden, wie die internationalen Kompensations-Märkte
funktionieren, wie deren Produkte „zertifiziert“ werden, wo die Unterschiede zwischen
staatlichem CO2-Emissionshandel und freiwilliger Kompensation liegen, ob und welche
tatsächlichen Ausgleichswirkung die „Kompensations“-mechanismen etwa bei Wald-Pro-
jekten in Amazonas-Gebieten oder bei Alternativenergie-Öfen in Afrika dauerhaft haben,
ob es auch THG-Kompensationen gibt, die tatsächlich die eigenen Emissionen wirksam durch neue
Minderungs-Projekte ausgleichen.
Im zweiten Vortrag wird ein jüngst in Gang gesetztes Kompensations-Projekt vorgestellt, das lokalen und
globalen Klimaschutz kombiniert – die „Aktion Zukunft+“ des Landkreises München: Mit wenigen Euro
können Bürger:innen genauso wie Unternehmen „Zukunft+ Zertifikate“ erwerben, um selbstbestimmt und
nachprüfbar konkrete Projekte mittels Crowdfunding zu realisieren, mit deren Hilfe Treibhausgase tatsächlich kompensiert, also dauerhaft gleichwertig ausgeglichen werden – durch innovative Energietechnologien,
clevere Mobilitätsmodelle, fortschrittliche Ansätze in Land- und Forstwirtschaft (wie z.B. Humusaufbau
durch Anbau von Kleegras in unmittelbarer Nähe von München).
Dr. Helmut Paschlau, U&A
Wer? Dr. Lambert Schneider
Öko-Institut Berlin, Forschungskoordinator für internationale Klimapolititk,
Energie & Klimaschutz; Studium Energie- und Verfahrenstechnik TU Berlin;
Mitglied der EU-Delegation bei den internationalen Klimaverhandlungen,
Vorsitzender des Clean Development Mechanism (CDM)
Phillip Dafe
Landratsamt München, Sachgebiet Energie und Klimaschutz, Projektleiter
„Aktion Zukunft+“; weitere Arbeitsschwerpunkte: Vernetzung, Bewusstseinsbildung und Kommunikation zu Klimaschutz-Themen im Landkreis München;
Studium Medien und Kommunikation (M.A.), Rechtswissenschaft (Dipl. Jur.)
Wann? Donnerstag, 25.05.2023, 19:00h – 20:30h
Wo? ausschließlich per Zoom-online und YouTube-Streaming
Anmeldung? unbedingt erforderlich: www.protect-the-planet.de/events/

Donnerstag
25.05.2023
19:00 - 21:00 Uhr