„Klimagerechtigkeit“: Ihr Leid, unsere Schuld: Wer zahlt eigentlich die Klima-Rechnung?

Dienstag, 19.09.2023, 19:00 Uhr,
Münchner Zukunftssalon neue Adresse und parallel Zoom-Online und YouTube

Allein Europa und Nordamerika sind historisch für rund die Hälfte der Treibhausgase (THG) verantwortlich,
die seit der Industrialisierung in die Atmosphäre emittiert wurden. Wenn die für eine Erderwärmung von
maximal 1,5°C heute noch „zulässigen“ Treibhausgase auf die Welt verteilt werden (z.B. je Mensch derselbe
Pro-Kopf-Ausstoß) und die darüber hinaus gehenden Treibhausgase dazu addiert, stammen über 90 Prozent
dieser THG-Emissionen aus den Industrieländern. Diese reichen Länder sind, je nach Kriterien, für 50 bis
über 90 Prozent der Klimakrise verantwortlich – stellen aber <15 Prozent der Weltbevölkerung.
Wenn nicht nach Nationalstaaten, sondern nach Einkommen gruppiert wird, ergibt
sich ebenfalls ein Bild starker Ungerechtigkeit: Die reichsten 10 Prozent der Weltbe-
völkerung (darunter knapp die Hälfte der Deutschen) verantworten etwa ebenso viel
Treibhausgase wie die übrigen 90 Prozent. Und das reichste 1 Prozent ist doppelt so
stark an der Klimakrise beteiligt, wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Der
Grund: je reicher jemand ist, desto stärker wird konsumiert – durch häufigere Flugreisen, größere Autos,
größere Wohnungen und insgesamt mehr materiellen Konsum.
Gleichwohl zwingt die Klimakrise auch die einkommensschwachen Länder des Globalen Südens zu
erheblichen Anstrengungen und verursacht erheblich Kosten. Die ökonomischen Schäden in den ärmeren
Ländern könnten bis 2030 auf jährlich fast 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr anwachsen – in Form von
Ernteausfällen, Schäden an der Infrastruktur, Landverlust, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und
schleichender Erosion der Einkommensmöglichkeiten. Diese Schäden lassen sich reduzieren, wenn sich die
Gesellschaften des Globalen Südens besser an die Klimaänderungen anpassen könnten. Aber auch dafür
fehlt das Geld: Die Kosten dieser Anpassung könnten 2030 bei bis zu 340 Milliarden US-Dollar p.a. liegen.
Das internationale Pariser Abkommen (2015) trägt dem prinzipiell Rechnung, die Industrieländer sind
völkerrechtlich zur finanziellen Unterstützung der einkommensschwachen Länder verpflichtet! Aber eine
vertragliche Quantifizierung gibt es nicht. 2009 versprachen die Industrieländer, 2020 ein Niveau von
jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar an bereitgestellter Unterstützung bzw. mobilisierter privater
Investitionen zu erreichen – schon damals weit unter den Kosten, mit denen die gefährdeten Länder
konfrontiert sind. Doch bis heute haben die Industrieländer ihre Zusagen nicht erfüllt – auch aus Angst vor
künftigen Schadensersatzforderungen, sollten sie einmal ihre Verantwortung auch nur implizit anerkannt
Oxfam website
haben. Erst ab 2023 soll das zugesagte Niveau – zumindest auf dem Papier – erreicht werden. Doch nicht alle
Zusagen dienen wirklich Klimaschutz oder -anpassung. Und der Großteil der Klima-Hilfen wird nicht in Form
von Zuschüssen gewährt, sondern mit (nicht einmal zinsverbilligten) Krediten; letztlich bezahlen die
Empfängerländer die so geförderten Programme also selbst.
Auch die Klima-Hilfen aus Deutschland stehen in der Kritik. Tatsächlich ist das
im internationalen Maßstab superreiche Deutschland eines der größeren
Geber-Länder. Bis 2025 soll die jährliche Unterstützung aus dem Bundeshaushalt auf jährlich 6 Milliarden Euro anwachsen. Seit der Zusage von 2021 wurde
allerdings fast nichts unternommen, um die Zusagen auch zu erfüllen.
Auf der letzten UN-Weltklimakonferenz COP27 gelang mit dem Grundsatz-Beschluss eines neuen multilateralen Fonds zur Bewältigung von Klima-Schäden und -Verluste ein wichtiger Durchbruch. Ob der neue
Fonds aber tatsächlich global gerecht aufgestellt und insbesondere mit ausreichend finanziellen Mitteln
ausgestattet werden wird, ist noch längst nicht ausgemacht. Es müssten für diese Fonds insbesondere
reiche und verantwortliche Staaten, Unternehmen und Personen in die Pflicht genommen werden –
fordert nicht nur Oxfam.
Dr. Helmut Paschlau, U&A
Wer? Jan Kowalzig
seit 2008 Referent für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam Deutschland e.V., speziell Klima-Finanzarchitektur zur finanziellen Unterstützung
der armen Länder im Kampf gegen die Klimakrise und die Klimapolitik
Deutschlands; Publikationen u.a. über den Zustand der deutschen Klimafinanzierung (s.u.); davor mehrere Jahre in Brüssel für das europäische
NRO-Netzwerk Friends of the Earth Europe tätig
Wann? Dienstag, 19.09.2023, 19:00–21:00 Uhr

Wo? Münchner Zukunftssalon, neue Adresse: Goethestr. 28 (Nähe Ecke Landwehrstr.), Hof, EG
(S-/U-Bahn „Hauptbahnhof“, Ausgang „Goethestr“.; dann Ecke Landwehrstr.)
und Zoom-online sowie YouTube-Streaming

Anmeldung? unbedingt erforderlich:      www.protect-the-planet.de/event/

Dienstag
19.09.2023
19:00 - 21:00 Uhr